Digitale Herausforderung bedingt informelles Arbeiten und Lernen
Die Arbeitswelt befindet sich durch die Digitalisierung in einem Umbruch hin zu höherer Agilität. Mitarbeiter tragen mehr Eigenverantwortung, arbeiten in internen und externen Teams oder mit Kunden und Partnern an Aufgaben mit geringer Ergebnis- und Prozesssicherheit. Damit einher geht eine gänzlich veränderte von Führung und Management einher - von Weisung und Kontrolle hin zu Coaching und Begleitung.
Hierarchien werden durch Netzwerke ersetzt. Dabei ist Arbeit und Lernen nicht mehr voneinander zu trennen. Mitarbeiter lernen im Arbeitsprozess, Teams lernen on-demand, miteinander und voneinander. Zeit- und problemnah wird vor allem mit mobilen Geräten auf eine Fülle ungefilterter Informationen im Internet zugegriffen. Die bekannten Abgrenzungen zwischen Lehrendem und Lernendem verschieben sich immer stärker in Richtung selbstorganisiertem Lernen. Der Trend geht dabei zunehmend vom formalen zum informellen Lernen.
Zunehmend setzen sich die Erkenntnisse des 70/20/10-Bildungs- und Entwicklungsmodells durch. Dies basiert auf den Studien von Morgan McCall, Michael M. Lombardo und Robert W. Eichinger (1996) vom Center for Creative Leadership, dem weltweiten Anbieter von Fortbildungen für Führungskräfte. Sie zeigen, dass lediglich 10% des Lernerfolgs im Unternehmen durch formelle Schulungsmaßnahmen entstehen, 20% durch den Austausch mit anderen und die übrigen 70% durch die tägliche Arbeit, d.h. durch Learning-on-the-Job. In den meisten Unternehmen werden jedoch rund 80% des Weiterbildungsbudgets für formelle Schulungen aufgewendet.
Das Whitepaper zeigt, wie die Effizienz von Schulungen und Support durch den gezielten Einsatz von proaktiven Lernstrategien und -technologien signifikant gesteigert werden kann.
Unterschiede zwischen formalem und informellem Lernen
Die Lern-Forschung hat sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, warum Schulungsinhalte in Vergessenheit geraten. Die „Vergessenskurve nach Ebbinghaus“ zeigt, wie schnell Wissen wieder aus den Köpfen verschwindet. Demnach sind nur 30% des unter formellen Rahmenbedingungen erworbenen Wissens nach 24 Stunden noch vorhanden. (Bildquelle: Wikipedia, Vergessenskurve).
Während formelles Lernen vorwiegend dem behavioristischen Ansatz folgt, der auf Verhaltens-Beobachtung fokussiert und sich nicht primär mit der Leistungsfähigkeit des Lernenden beschäftigt, liegt dem informellen Lernen ein kognitiv-konstruktivistischer Ansatz zu Grunde. Dazu zählen vor allem:
- Begriffsbildung,
- Wahrnehmung,
- Wiedererkennung und
- schlussfolgerndes Denken.
Im Kognitivismus werden die Denkprozesse des Lernens erkannt und erklärt. Im Gegensatz zu dem Behaviorismus betrachtet der Kognitivismus auch die inneren Vorgänge in einem Individuum.
Die konstruktivistischen Ansätze gehen Neubert, Reich & Voß (o.J.) davon aus, dass Lernen ein konstruktiver Prozess ist und behaupten, dass jeder Lerner auf der Grundlage seiner "Experience" lernt, und dabei eigene Werte, Überzeugungen, Muster und Vorerfahrungen einsetzt. Lernen als Konstruktion kritisiert die Illusionen des Aneignungs- und Abbildungs-Lernens, denn jeder Lernende konstruiert sein Lernen, sein Wissen und die dabei erzeugten Wirklichkeiten, wobei er hierbei allerdings kulturell nicht völlig frei ist, sondern immer auch an die Konventionen seiner Zeit gebunden.
Zur größten Bedrohung für das Lernen gehört dabei, dass der Lerner nicht hinreichend eigenständig konstruieren darf. Interaktionen mit anderen sind dafür ausschlaggebend, wie das Lernen angenommen, weitergeführt und entwickelt wird. Dabei ist es entscheidend, inwieweit es dem Lernenden gelingt, die Perspektive auf sein eigenes Lernen zu richten, indem er sich motiviert, sein Lernen selbst organisiert, sich seiner Muster und Schematisierungen bewusst wird sowie diese handlungsorientiert entwickelt. Auch eine fremde Perspektive einzunehmen, sich "von außen" zu betrachten, wird dabei notwendig. So lassen sich Lücken oder Schwierigkeiten des eigenen Lernens beobachten und neue, kreative Wege erschließen, um das Lernverhalten zu verändern.
Im Gegensatz zu anderen Ansätzen geht der Konstruktivismus davon aus, dass das Wissen nicht außen den Dingen innewohnt und dann in den Lernenden transportiert wird, sondern im Lernenden existiert. (Quelle: Lernen als konstruktiver Prozess, Stefan Neubert, Kersten Reich, Reinhard Voß)
Das Lernen 2.0 basiert auf dem konnektivistischen Lernparadigma und folgt den Grundsätzen von Web 2.0. Damit ist Lernen 2.0 partizipativ, kollaborativ, sozial, feedbackorientiert und auf Vernetzung ausgerichtet. Lernen 2.0 ist somit eine umfassende Lernform, die
- Ausbildung im Seminarraum und digitale Lernformen verbindet (Blended Learning),
- Training „off-the-job“, „on-the-job“ und „on-the-road“ kombiniert,
- formale Kurse mit informellem Lernen erweitert,
- Wissenserwerb und Wissensanwendung zusammenbringt,
- Inhaltsproduktion durch Lernende ermöglicht und
- „Lernen nach Bedarf“ in einer individualisierten Form beinhaltet.
Die Bedeutung von Interaktivität im informellen Lernen
Medien spielen in der Wissensvermittlung und dem Kompetenzaufbau eine herausragende Rolle. Anhand der Leitmedien „Buch“ und „Digitales Netz“ lassen sich die fundamentalen Unterschiede ermitteln, die für den Wissenserwerb, beziehungsweise den Kompetenzaufbau entscheidend sind. Dabei wird bei einer weiteren Betrachtung auch deutlich, dass Emergenz einer der Schüssel für informelles und selbstorganisiertes Lernen ist.
Buchgesellschaft | Informationsgesellschaft | |
Funktionen |
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Visionen | Einheitliche und gleiche Perspektiven durch linearen Fortschritt als Grundlage jeder Kommunikation | Differenz und Pluralität verschiedener Perspektiven als Grundlage jeder Kommunikation |
Parameter |
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Bildung |
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Quelle: Georg Rückriem, Pädagogik + Medien = Medienpädagogik?
Emergenz und Selbstorganisation
Der Begriff „Emergenz“ wird als die spontane Herausbildung neuer Eigenschaften der Systembestandteile definiert und beschreibt somit eine laufende Veränderung des Systems selbst. Es gibt drei Prinzipien, die Voraussetzung für das Auftreten Emergenz sind:
- Wechselwirkung zwischen den Teilen
- Komplexität in einem gewissen Mindestmaß, d.h. im Umkehrschluss ermöglichen starre Systeme keine Emergenz
- Reproduktion der Systemteile durch Feedbackmöglichkeiten
Bezogen auf das Lernen mit Medien, bedarf dies Interaktivität, um die spontane Herausbildung dieser Eigenschaften, besonders durch die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Elementen in den Medien, zu fördern. Dabei steigt die Komplexität eines Systems grundsätzlich mit der Anzahl an Elementen (wie dies bei der zunehmenden Informationsmenge im Internet der Fall ist), der Anzahl an Verknüpfungen zwischen diesen Elementen sowie der Funktionalität dieser Verknüpfungen. In einer weiteren Betrachtung lassen sich dann z.B. folgende Kriterien analysieren:
- Innere Hierarchie
- Innere Differenzierung (Dezentralität/Zentralität)
- Vernetzung innerhalb der Subsysteme
- Vernetzung der Subsysteme mit dem „Zentrum“
- Innere Feedback-Schleifen und Umgebungskomplexität
Diese Faktoren definieren die „Selbststeuerfähigkeit“ eines Systems und auch die „Selbstorganisation“, seine Anpassungsfähigkeit an Veränderungen, die entweder durch innere Prozesse oder durch Veränderungen in den Umgebungsbedingungen hervorgerufen werden.
Interaktive Medien fördert die Emergenz
Emergenz bündelt somit Begriffe wie Effizienz, Innovation, Enterprise 2.0, Wikis etc. und bildet gerade in den Bereichen des informellen Lernens und Arbeitens eine maßgebende Grundlage. Emergenz fördert das natürliche oder auch forschende Verhalten eines Lerners und dient somit implizit dem Wissenserwerb. Hinzu kommt, dass Emergenz in Arbeitsprozessen das wesentliche Merkmal von Kollaboration ist und somit auch eine Basis für eine agile Unternehmensführung.
Diese Charakteristika spielen bei der Betrachtung von Medien eine entscheidende Rolle. Das Internet lässt auf Grund seiner inneren Vernetzung und hohen Informationsdichte neue Effekte entstehen, die als emergent bezeichnet werden können. Durch die zunehmende Vernetzung und Interaktivität werden diese Effekte weiter verstärkt. Das gilt auch in Bezug auf das Trendmedium Video. Jedoch garantiert das bloße Betrachten linearer Videos alleine noch keinen Lerneffekt. Um durch Videos einen höheren Lerneffekt zu erreichen, bedarf es der Interaktivität im Video. Interaktive Videos gelten vor allem dann als emergent, wenn durch die Vernetzung der Inhalte neue Effekte des Lernens entstehen und Lernerfolge verstärkt werden.
Informelles Lernen als Wegbereiter der agilen Organisation
In der Wissensvermittlung geht es nicht nur um den Lernerfolg. Zu den wichtigsten Aufgaben in der Kompetenzentwicklung gehört es mittlerweile auch, Mitarbeitern einen echten Service-Support zu bietet. Das bedeutet in der Praxis: Wissen ist nicht nur zeit-, orts- und situations-unabhängig abrufbar, sondern kann auch direkt für die Bewältigung der Arbeitsprozesse oder zur Lösung von Problemen angewendet werden.
Derzeit werden aber häufig die Kosten für die Einführung effizienter Strukturen gescheut. Geht es beispielsweise um die Einführung eines Performance-Support-Systems im Unternehmen, lassen sich viele Inhalte bereits aus den Helpdesk-Erfahrungen generieren und übernehmen. Dies kann die Initialkosten für die inhaltliche Befüllung des Systems deutlich senken und bereits entscheidende Auswirkungen auf die Produktivität der Mitarbeiter haben. Die Erweiterung der Inhalte lässt sich dann im laufenden Prozess sukzessive bewerkstelligen.
Darüber hinaus besitzen Performance-Support-Systeme erhebliche Vorteile. So können zum Beispiel Weiterbildungs-, Schulungs- und Supportkosten gesenkt werden, wenn sich Prozesse im Unternehmen ändern oder neue Systeme eingeführt werden. Über die unternehmensweite Nutzung solcher Angebote ergeben sich Rückschlüsse über den Stand der Change-Prozesse sowie die Akzeptanz und Qualität der bereitgestellten Informations- und Lernmaterialien.
Den ganzen Artikel können Sie in unseren Whitepaper lesen.